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Neulich erhielt ich eine E-Mail, in der stand: „Insgesamt sind wir auf einem guten Weg, der Leser sollte aber stärker abgeholt werden. Könnt ihr den Artikel zeitnah überarbeiten?“

Floskeln im Agenturalltag – unsere Top 10

Bild: NDABCREATIVITY / Adobe Stock

Ich sprach mit dem Lektorat, rief den Kunden an und versicherte ihm, dass er die Korrekturen bis zum Folgetag erhalten würde. Und auch wenn der Inhalt der Mail legitim und der Sachverhalt klar war, hinterließ der Schriftverkehr bei mir einen Nachgeschmack von unbefriedigender Kommunikation. Warum bloß, fragte ich mich. Bis die Antwort mich in der nächsten Mail förmlich ansprang: „Danke für das angenehme Telefonat.“ Angenehm? Was bitte soll angenehm heißen? War es nun ein schönes oder weniger schönes Erlebnis, mit mir zu telefonieren? Langsam fing ich an, es persönlich zu nehmen. Gibt es überhaupt noch ehrlich gemeinte Kommunikation im Bürodeutsch? Oder haben Floskeln die Bürosprache komplett übermannt und jedes Fünkchen echte Kommunikation verdrängt? Ich begab mich auf die Suche nach den nervigsten Floskeln. Mein Testterrain: Drei Jahre E-Mail-Kommunikation aus dem textbest-Hauptquartier. Auch wenn es sicherlich noch weitere üble Bürofloskeln gibt, kam ich an diesen Begriffen einfach nicht vorbei.

1. Zeitnah

Der Begriff wird so inflationär verwendet, dass er schon eine eigene Definition im Duden verdient hat. Kann mir jemand sagen, was „zeitnah“ bedeutet? So schnell wie möglich? Bis morgen? Noch in dieser Woche? Ich weiß es nicht und würfle das Ergebnis meiner zeitnahen Korrespondenz je nach zeitmanagementtechnischer Tagesform. Damit ist „zeitnah“ für mich das Unwort des Jahres und eine der schlimmsten Floskeln im Bürodeutsch, vor allem weil es nur Unklarheit bringt.

2. Am Ende des Tages

Im vergangenen Jahr waren wir auf zahlreichen Branchenveranstaltungen und Events. Die meist verwendete Floskel für das Fazit des Vortrags: „Am Ende des Tages“. Einmal zählten wir mit: 20 Mal in fünf Minuten. Das muss ein Rekord sein – oder auch nicht. Zweimal erwischten wir uns selbst beim Vortragen dabei, oh du Schande! Das liegt wohl daran, dass man sich mit dieser Bürofloskel so herrlich philosophisch vorkommt. Da können Synonyme wie „letztendlich“, „im Endeffekt“ oder „zusammenfassend“ einfach nicht mithalten.

3. Angenehmes Telefonat

Das „angenehme“ Telefonat nehme ich immer noch persönlich – oder wie würdet ihr folgende Sprachverwendung auffassen: „Das war aber angenehm, Schatz.“ Ja, ich finde „angenehm“ fast beleidigend. Wer einen guten Eindruck hinterlassen möchte, sollte lieber „nett“, „interessant“, „informativ“, „freundlich“, „spannend“ schreiben. Seien wir mal ehrlich: „Angenehm“ ist doch ein Euphemismus für „beschissen“, das war das besagte Gespräch nämlich wirklich.

4. Bitte reichen Sie folgende Unterlagen nach

Okay, das mag nur auf mich zutreffen, aber diese Mail kriege ich relativ oft – meist vom Steuerbüro. Die Phrase gehört vielleicht nicht so richtig zu den meistgehassten Floskeln im Bürodeutsch, ich wüsste jedenfalls nicht, wie man das netter formuliert. Trotzdem muss sie in meine persönliche Top Ten, immerhin läuft es mir jedes Mal kalt den Rücken runter, wenn ich diese freundlich gemeinten Zeilen lese.

5. Zu etwas committen

Dieses Unwort hat bei textbest Gott sei Dank bisher nicht Einzug gehalten, aus anderen Firmen schwappt es aber manchmal über und man kann sich kaum wehren, gehört das Wort doch zu den häufigsten Floskeln in der Managersprache. Schließlich ist „Commitment“ was Gutes, wovor man keine Angst haben sollte. Man sollte sich am besten direkt zum Commitment committen. Der Duden hat es auch schon getan.

6. Auf einem guten Weg

Ich übersetze: Das, was du machst, ist nicht gut. Was soll ich dazu noch sagen.

7. Den Leser abholen

Das ist sicher eine branchenspezifische Bürofloskel, im Textermilieu floriert sie aber. Mir fallen sehr viele Alternativen ein, die aber leider zu wenig hip klingen: „an die Zielgruppe denken“, „eine gute Leserführung bieten“ usw. Das ist allerdings nicht neudeutsch genug – ich gebe zu, ich habe diese Floskel auch schon mal in eine Mail geschrieben.

8. Quick and dirty

Ich hätte es aber gern langsam und sauber – bin ich da die Einzige? Müssen diese Anglizismen immer so bildhaft sein? Jedenfalls denke ich da nicht sofort an eine technische Lösung, vielmehr… Na, das schreibe ich mal lieber nicht. Jedenfalls finde ich, dass dieser „Fachbegriff“ von der Arbeit ablenkt, wer noch?

9. Stakeholder/Multiplikatoren

Ich erinnere mich an mein erstes Mal. Am Beginn meiner beruflichen Laufbahn streute ein Unternehmer die Begriffe im Meeting ein und wirkte dabei professionell, allwissend und eloquent. Ich war beeindruckt und googelte das später im Stillen. Ich stellte fest, dass Stakeholder nur ein schwammiger Begriff für interessierte Parteien ist, der keinerlei Aussagekraft hat. Mein Vorschlag: Entweder benenne ich die genaue Zielgruppe – oder ich lasse es sein. Die Floskeln Stakeholder und Multiplikatoren nehme ich schon aus Prinzip nicht in den Mund. Übrigens: Ihre inflationäre Verwendung führt auch zum Geschäftsniedergang – das hat der besagte Unternehmer inzwischen bewiesen.

10. Learnings

Ich kann nicht leugnen, dass ich den Begriff manchmal treffend finde – und so einsichtig und devot. Trotzdem frage ich lieber: „Was haben wir daraus gelernt?“ Manchmal schallt ein Leeeaaarnings auch durch die textbest-Hallen, daher drücke ich jetzt mal alle Augen zu und sage: Halb so schlimm.
Vielleicht sind wir am Ende des Tages auch auf einem guten Weg – wenn die Bürosprache immer mehr quick and dirty wird, schreiben wir durch zeitsparende Floskeln womöglich bald viel kürzere Mails. Das würde ich begrüßen.
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